Die Löwin und der Mensch

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Eine Löwin und ein Mensch schauen sich zusammen eine Tiersendung über Afrika an.
Die Löwin ist ganz begeistert von den Bildern ihrer Heimat, der weiten Steppe,
der Freiheit, ihren Artgenossen und der Vielfalt des Lebens dort.
Und da passiert es, eine Jagdszene wird gezeigt. Aufgeregt folgt die Löwin dem Geschehen.
Das Rudel trennt geschickt eine Antilope von der Herde, kreist sie ein, treibt sie dann in die Richtung, wo eine einzelne Löwin im Gebüsch auf der Lauer liegt. Diese schießt, als die Antilope auf ihrer Höhe ist, aus dem Gebüsch, verpasst dem Opfer einen heftigen Prankenschlag, beißt der Antilope die Kehle durch. Nun ist das Tier tot. Das Löwenrudel teilt sich die Beute.
Die Löwin kann sich vor lauter Stolz über diesen Jagderfolg kaum halten.

Hingegen der Mensch ist völlig schockiert. Wie furchtbar und grauenvoll ihr Löwen tötet. Das arme unschuldige, zarte, hilflose Wesen. Wie könnt ihr nur? Ihr Löwen solltet euch schämen, derart Schreckliches zu tun. Ihr habt eben kein Feingefühl, kein Mitgefühl, keine Achtung vor anderen Tieren, so wie wir Menschen es haben.
Mit eingezogenem Kopf und Schwanz würgt die Löwin, des Menschen Vorwürfe herunter.

Einige Tage später gehen der Mensch und die Löwin in den Supermarkt. Die scheinbar unendlich vielen Düfte, Dinge und Farben bereiten der Raubkatze heftige Kopfschmerzen.
Brauchen Menschen all die Sachen hier, fragt sie.
Nein, sagt der Mensch, aber die Masse von Angeboten macht uns glücklich und zufrieden. Wir fühlen uns sicher, wenn wir viel kaufen können.
So, so, sagt die Löwin unverständig.

Plötzlich, am Metzgerverkaufsstand, das Tier glaubt einer Sinnestäuschung zu unterliegen, türmt sich vor der Raubkatze ein riesiger Fleischberg auf. Sie weiß gar nicht, wo sie zuerst hinschauen soll. Überall Fleisch, in unterschiedlichen Größen und Farben, wohl geordnet. Ja, da liegt sogar Fleisch mit lustigen Gesichtern drauf, Bärchenwurst. Bilder von zufrieden grinsenden Tieren hängen auch dort.
Für diesen Berg Fleisch habt ihr Menschen bestimmt viele Antilopen gejagt und getötet, sagt die Löwin.
Wo denkst du hin, antwortet der Mensch. Wir jagen und töten keine Antilopen, so grausam sind wir nicht.
Wir schlachten doch nur Schweine und Rinder. Das sind Nutztiere, die leben um geschlachtet und gegessen zu werden.
Und wo ist da der Unterschied zu dem Jagen von Antilopen, fragt die Löwin.
Das verstehst du nicht, sagt der Mensch. Du bist halt ein Raubtier ohne Mitgefühl.
Schon gut, sagt die Löwin. Aber eine Frage habe ich noch. Wer soll diesen riesigen Fleischberg hier auffressen?
Das heißt "aufessen", sagt der Mensch.
Gut aufessen! Wer nun?
Das ist doch egal. Hauptsache ein großes Angebot. Wir Menschen essen nämlich schon mit den Augen, mit Genuss und entsprechender Esskultur, was Löwen bekanntlich fremd ist.
So ein Überangebot bereitet uns Menschen Freude. Wie gesagt, das Auge isst mit.
Außerdem gibt es genügend Schweine und Rinder zum schlachten. Schließlich sind diese Kreaturen dafür da.

Die Raubkatze denkt bei sich, wer hat hier eigentlich kein Feingefühl, Mitgefühl und keine Achtung vor anderen Tieren. Meine Artgenossen jagen ihre Beute, die Menschen schlachten ihre "Nutztiere" einfach ab. Und das fast maßlos, weil sie dadurch scheinbar zufriedener und glücklicher werden.
Halt rundum satt.
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Axel Dorr